Blood & Sinners handelt nicht nur von Vampiren, sondern auch von Identität, Herkunft und die Frage: Ist Musik unsere Rettung – oder unser Untergang? Der Film wirft euch mitten hinein in ein Mississippi, das zwar nach Heimat aussieht, aber längst von einer dunklen Macht übernommen wurde.
Michael B. Jordan übernimmt dabei gleich eine doppelte Rolle – und das mit Bravour. Als Zwillingsbrüder Elijah und Elias kehrt er in die Heimat zurück, nur um festzustellen: Hier ist nichts mehr, wie es mal war. Doch das Städtchen hat sich verändert, denn zwischen verfallenen Häusern und flüsternden Straßen liegt etwas in der Luft: eine düstere Spannung, die sich schnell als tödlich entpuppt. Nach Jahren in Chicagos Unterwelt sind Elijah und Elias wieder in Mississippi und statt neuer krummer Dinger soll jetzt ein frischer Start her – mit einer eigenen Bar, irischem Bier und italienischem Wein, auch wenn dieser nicht ganz legal beschafft wurde. Die Brüder rufen alte Bekannte, Freunde und frühere Liebschaften zusammen und schmeißen noch am selben Abend eine große Eröffnungsparty.
Für die richtige Stimmung sorgen ihr Cousin Preacherboy Sammy (Miles Caton) und der Harmonikaspieler Delta Slim (Delroy Lindo), die dem Abend mit rauer Musik echtes Südstaaten-Flair verleihen. Doch die neue alte Heimat entpuppt sich schnell als gefährlicher als gedacht: Nicht nur der Ku-Klux-Klan zieht im Hintergrund seine Fäden – auch blutdurstige Vampire haben es sich längst in der Region gemütlich gemacht. Und die Smoke-Brüder stehen ganz oben auf ihrer Speisekarte.

Horror trifft auf Herz – und eine Prise Southern Gothic
Die Geschichte lebt nicht nur von der düsteren Atmosphäre, sondern auch vom Gefühl der Zerrissenheit. Elijah und Elias suchen nach einem Stück Zuhause – doch alles, was sie finden, ist ein Ort voller Rätsel, Misstrauen und alter Dämonen. Die Figuren um sie herum, besonders Mary (Hailee Steinfeld) und Remmick (Jack O’Connell), wirken nicht weniger geheimnisvoll. Die Spannung: konstant. Der Horror: subtil und doch allgegenwärtig. Und die Musik: eine eigene Figur im Film.
Musik, Macht und Mythos
Ludwig Göranssons Soundtrack ist weit mehr als bloßes Hintergrundrauschen – er ist das pulsierende Herz von Blood & Sinners. Mit einer intensiven Mischung aus Blues, Soul, düsterem Ambient und treibenden Rhythmen erschafft Göransson eine Klangwelt, die den Film nicht nur untermalt, sondern ihn formt, vorantreibt und entscheidend prägt. Jeder Ton sitzt, jede musikalische Wendung verstärkt das emotionale Gewicht der Szenen – oder steht in scharfem Kontrast zu dem, was auf der Leinwand passiert. Göransson ist unter anderem bekannt von Soundtracks zu Tenet, Black Panther, Creed und auch Oppenheimer und vielen anderen Werken.
Die Musik in Blood & Sinners ist nicht nur Begleitung, sie ist ein aktiver Teil der Geschichte. Sie verführt, sie warnt, sie beschwört – und in der Logik des Films besitzt sie eine gefährliche Macht: Musik kann Dämonen anlocken und wird zur Waffe, zum Ritual, zur Sünde. Eine Melodie kann Erlösung bringen – oder Verderben. Das verleiht den musikalischen Momenten im Film eine fast spirituelle Aufladung und es entsteht das Gefühl, dass jede Note etwas Uraltes berührt, etwas, das tief unter der Oberfläche schlummert.
Der Film greift damit ein altes, beinahe mythisches Motiv auf: Ist Musik eine göttliche Gabe oder die Sprache des Teufels? Ist sie Heilung oder Versuchung? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Der Film liefert keine eindeutige Antwort – aber er nimmt die ZuschauerInnen mit auf eine hypnotische Reise, die diese Frage nachhallen lässt. Noch lange, nachdem der letzte Ton verklungen ist.

Besprechung mit dem Tele-Stammtisch
Gemeinsam mit Melanie und Stu vom Tele-Stammtisch durfte ich im Podcast über Blood&Sinners sprechen:
Michael B. Jordan in Hochform – auch als Duo
Doppelrollen bringen immer ein gewisses Risiko mit sich: Schnell wirkt es gekünstelt oder technisch überfrachtet – gerade dann, wenn beide Figuren im selben Bild agieren. Blood & Sinners meistert diese Herausforderung jedoch mit beeindruckender Leichtigkeit. Michael B. Jordan gelingt es nicht nur, den beiden Brüdern Elijah und Elias jeweils eine eigene Identität zu verleihen, sondern ihnen auch emotionale Tiefe und Glaubwürdigkeit zu schenken. Ihre Bewegungen, ihre Mimik, ihre innere Haltung – all das unterscheidet sie klar voneinander, ohne dass es übertrieben oder aufgesetzt wirkt.
Auch die technischen Aspekte der Umsetzung verdienen Lob: Das CGI bleibt angenehm zurückhaltend. In gemeinsamen Szenen der Zwillinge verschmilzt die Technik so nahtlos mit dem Schauspiel, dass man als ZuschauerIn komplett darin aufgehen kann. Keine irritierenden Unschärfen, keine sichtbaren Tricks – stattdessen wirken die Interaktionen so natürlich, als stünden tatsächlich zwei unterschiedliche Personen vor der Kamera. Der Effekt dient nicht der Show, sondern unterstützt subtil die emotionale Bindung zwischen den Brüdern.
Genauso viel Sorgfalt zeigt sich im Setdesign, das mit beeindruckender Detailverliebtheit daherkommt. Die verfallenen Häuser, die verwitterten Fassaden, das staubige Interieur – all das wirkt nicht wie ein künstliches Filmset, sondern wie ein echter Ort mit Geschichte. Besonders auffällig ist, wie konsequent der Film auf Authentizität setzt: Kein Hochglanz-Look, keine glatten Oberflächen, kein inszenierter Grusel. Stattdessen dominiert eine rohe, fast schon greifbare Atmosphäre. Alles ist schmutzig, abgeblättert, brüchig – und gerade deshalb so intensiv.
Dieser dreckige Realismus passt perfekt zum Ton des Films, denn er unterstreicht das Gefühl von Verfall, Bedrohung und Vergänglichkeit, das die Geschichte durchzieht. Man hat nie das Gefühl, in einem Fantasy-Setting zu sein – vielmehr wirkt Blood & Sinners wie ein düsterer Albtraum, der genauso gut irgendwo in der Realität verwurzelt sein könnte.

Einzige Schwäche: die Vampir-Logik
Ein kleiner Wermutstropfen trübt das ansonsten gut durchdachte Worldbuilding des Films: die Umsetzung einer klassischen Vampirregel. Es geht um das altbekannte Gesetz, dass Vampire nur dann ein Haus betreten dürfen, wenn sie ausdrücklich eingeladen wurden. An sich nichts Neues – aber Blood & Sinners nutzt diese Regel durchaus konsequent… bis zu einem gewissen Punkt.
Denn es bleibt unklar, wie mit Vampiren umgegangen wird, die sich bereits im Inneren eines Hauses befinden und dort verwandelt werden. Müssen sie nach ihrer Verwandlung erneut eingeladen werden, um das Haus später wieder betreten zu dürfen? Oder hebt die Tatsache, dass sie schon einmal im Gebäude waren, diese Regel auf? Und wie sieht es mit früheren Gästen aus, die inzwischen zu Vampiren geworden sind – zählt eine alte Einladung dann immer noch?
Der Film streift diese Fragen, ohne sie wirklich zu beantworten. Gerade weil er sich in vielen Bereichen so viel Mühe mit Logik und Detailtiefe gibt, fällt dieser kleine Bruch umso mehr auf. Für ZuschauerInnen, die solche Regeln gerne konsequent durchdacht sehen, könnte das kurzzeitig aus der Immersion reißen – zwar ist es kein Plotloch, das den Film entwertet – aber ein Moment, in dem sich die sonst so stimmige Welt ein wenig widersprüchlich anfühlt.
Fazit:
Blood & Sinners ist mehr als nur ein Vampirfilm. Es ist ein kraftvoller Genre-Mix, der sich zwischen Southern Gothic, Familiendrama und Horror bewegt. Die starke Besetzung, der eindrucksvolle Soundtrack und die künstlerische Umsetzung machen ihn zu einem der spannendsten Genrebeiträge der letzten Jahre.