Gerade wenn du denkst, du kennst Planet Mira wie deine Westentasche, dann kichert es lieblich und deutet erneut auf einen Ort hin, den du vorher noch nicht gefunden hattest. Und ja, auch nach mehreren hundert Spielstunden kann das noch passieren, denn die Welt in Xenoblade Chronicles X ist riesig. Einatmend. Wunderschön. Und doch auch düster und dunkel.
Wenn man so viel Zeit mit einem Spiel verbracht hat, dass es einen auch nach einem halben Jahr nicht mehr loslässt, sollte man glauben, es sei schwierig, eine Review neutral zu verfassen. Nein, eigentlich ist es eher so, dass man dann das System bis ins kleinste Detail kennt und erlebt hat, Vor- und Nachteile für sich selbst erkennt und diese genau wiedergeben kann. Doch beginnen wir mal mit der Geschichte hinter Nintendos neustem Wii U-Exklusivtitel Xenoblade Chronicles X, einem Sci-Fi-Rollenspiel, das alles aus der Konsole rausholt, was sie zu bieten hat.
Story
In einem Kampf mit unbekannten Alien-Rassen wurde die Erde im Juli 2054 vollends zerstört. Die wenigen Schiffe mit Menschen, die flüchten konnten, erreichen in einer Bruchlandung einen Planeten mit einer breiten Flora und Fauna. Sie nennen ihn Mira.
Nach zwei Monaten scheinen sie sich mit ihrer Situation abgefunden zu haben, schließlich bauen sie New Los Angeles (NLA) neu auf und erkunden weiterhin den Planeten nach neuen Materialien, Lebewesen und Ressourcen fürs Überleben. In einer stürmischen Nacht findet Elma euch in eurer Kapsel und erweckt euch aus einem tiefen Schlaf. Viele haben es in ihren Rettungskapseln nicht geschafft, doch ihr schon. Zwar habt ihr kaum eine Erinnerung an eure Heimat oder an euer bisheriges Leben, doch Elma nimmt euch mit auf eine neue Reise. Voller Gefahren, denn es drohen erneut Alien Rassen den Rest der Menschheit bekämpfen zu wollen…
Die Idee, eine Science-Fiction Geschichte mit RPG-Charakter zu erschaffen, ist Monolith-Soft gelungen. Nachdem viele die große Sorge hatten, es hätte nicht so viel zu bieten wie der geistige Vorgänger Xenoblade Chronicles auf der Wii und dem New 3DS, muss ich da einfach sagen: Doch, es hat so viel zu bieten wie Chronicles. Nur auf eine eigene Art und Weise. Es ist schwierig, beide Spiele miteinander zu vergleichen, weil sie geschichtlich wenig gemeinsam haben. Außer einer Truppe von Personen, die versuchen sich gegen mächtige Feinde zu behaupten und das zu beschützen, was ihnen am wichtigsten erscheint: Die Menschheit, den Lebensraum, den Zusammenhalt.
Jedes Kapitel hält seine Überraschungen und besonderen Charaktere bereit, mal fühlt es sich an wie ein zu Hause, mal ist es wie ein gedämpfter Schlag in die Magengrube, die die Story einen an sich fesselt. Man selbst fühlt sich hinein in diese Gruppe von Kämpfern, die überleben will. Und das macht Xenoblade Chronicles X aus. Spätestens dann, wenn man sich mit den gefährlichsten Gegnern der Galaxy in einem Raum sieht. Wer sich allerdings noch nie mit Science-Fiction anfreunden konnte, wird mit der Geschichte natürlich nicht warm werden. Es ist gewissermaßen ein Potpourri aus durchdachten Ideen, Technologien und Möglichkeiten, die die Story nicht nur in der Hauptgeschichte, sondern in den sehr vielen Nebenmissionen zusammenfasst.
Gameplay und Steuerung
Vorab gilt es zu sagen, dass das Wii U Gamepad hier in großem Stil genutzt wird. Es ist nicht nur eine Karte, die ihr im Überblick habt, um auf dem Planeten zu reisen. Sie ist eure kleine Konsole, die euch genau anzeigt, wie viele Bereiche ihr schon erkundet habt, wo es noch offene Posten wie Schatztruhen oder unbesiegte Monster gibt und wie viele Einnahmen ihr durch eure Datenproben erzielt. Off-TV ist eine schöne Sache, wenn man zusätzlich noch mit dem Pro Controller spielt und das Gamepad als kleinen Fernseher nutzt, wenn man mal nicht Zugang zu einem großen Bildschirm hat. Das läuft auch ziemlich flüssig, nur in Kämpfen innerhalb der Story kann es schonmal vorkommen, dass man geringe Einbrüche der Framerate hat. Dies trübt aber nicht das Spielerlebnis.
Dank der Möglichkeit, aus verschiedenen Perspektiven spielen zu können, kann man somit auch das Feld weitläufig betrachten. Das ist besonders in den Momenten nützlich, in denen jeder der Charaktere eine eigene Skell (bzw. Doll im japanischen) besitzt.
Der Übergang bei einer Transformation der Skell vom Fahrzeug zum Flugobjekt geht in Sekunden vonstatten und man kann aus dem Sprung heraus sofort los fliegen. Wer sich unsicher über die Steuerung ist, kann immer wieder auch auf die Erklärungen zurückgreifen, die einem angezeigt werden.
Features
Wenn es ein Feature gibt, das ich besonders schätze, dann ist es wohl die Hopper Cam. Gerade in den ersten 30 Spielstunden ist die Kamera, die aus der Vogelperspektive alles überblicken lässt, immer wieder praktisch. Man kann sich so ganz leicht einen Überblick über die Gegend und die Monster verschaffen, ohne eine Doll zu besitzen. So entdeckt man Höhlen oder Datenproben schnell.
Folgt man einer Quest und findet den Weg mal nicht, dann ist Tatsus Licht da hilfreich. Es zeigt euch einen Weg, wie ihr die Markierung auf der Karte erreichen könnt. Leider führt euch sein Licht nicht immer am einfachsten oder kürzesten Weg vorbei, hin und wieder verleitet es eher dazu, an großen Gegnern vorbei huschen zu müssen. Das kann auch oft genug zu Kämpfen führen, die euch eher in Schwierigkeiten bringen.
Wisst ihr allerdings schon, wo ihr hin wollt, dann sind die Teleportationspunkte auf der Map eine schöne Sache. Gerade wenn man für einen Kampf Kraftstoff sparen will, wenn man eine Skell besitzt, so kann man sich in kurzen Schritten in eine der vielen Gegenden teleportieren. Oft genug sucht man bestimmte Monster oder Feinde, die sich nur im Wald oder in der Wüste verbergen, da kann solch ein Punkt hilfreich sein, wenn es mal schnell gehen muss. Allerdings muss man auch dazu sagen, dass manche Feinde nur zu bestimmten Wetterbedingungen oder Uhrzeiten auftauchen, dafür gibt es auch die Möglichkeit, die Zeit frei einzustellen. Allerdings geht das nicht mehr über das Menü wie im Vorgänger, sondern nur noch an bestimmten Punkten im Spiel (wie einer roten Parkbank in NLA).
Solltet ihr den Online-Modus später nutzen, wird euch euer Blade-Home gefallen. Denn dies könnt ihr frei gestalten, von Farbe und Logos der Fraktionen über eine Galerie, in der man Items, Personen oder Waffen aus dem Spiel als Hologramm vorzeigen kann. Besuchen euch Freunde online im Blade-Home, so können sie sich frei umsehen und alles bestaunen und sich inspirieren lassen.
Auf das Aussehen eurer Charaktere könnt ihr außerdem auch einen hohen Wert legen, denn es gibt nicht nur Rüstungen und Waffen, sondern auch so genannte Fashion-Rüstungen. Diese ermöglichen es euch, euren Charakter mit den stärksten Gegenständen zu bekleiden, aber mit den hübschesten Kleidern zu überdecken. Beispielsweise könnte Elma dann in einem Kleid rumlaufen, das nur oberflächlich gezeigt wird und darunter dann die stärkste Alien-Rüstung tragen, die es gibt.
Online-Modus
Online mit Freunden spielen, das ist eine Sache, die mir am meisten Spaß bereitet hat. Es wird nicht nur ein 4-Spieler-Online-Koop angeboten, in dem ihr mit Freunden Quests erledigen könnt, sondern auch die Squad Funktion, die es ermöglicht, einen Kader mit anderen verbundenen Spielern zu erstellen. Das können bis zu 32 Spieler sein, die nach Items oder bestimmten Monstern suchen können. Ein Zähler zeigt immer an, wie viele Jobs innerhalb des Zeitrahmens erledigt werden müssen, damit die Mission erfolgreich ist.
Je öfter man spielt, desto wahrscheinlicher ist es, dass man auch mit seinen Freunden gemeinsam gegen sehr starke World Enemies kämpfen kann. Monster, die nur sehr schwer zu besiegen sind, aber eine große Menge an Belohnungen bereit halten.
Insgesamt ist die Online-Funktion eine gute Sache, um mal seinen Freunden auch den eigenen Charakter zu präsentieren und auch mit den Skells gegen mächtige Gegner zu kämpfen. Ich erhoffe mir noch stark, dass japanische Spieler gemeinsam mit Europäern und Amerikanern spielen können. Sollte dies nicht möglich sein, wäre dies ein sehr großer Kritikpunkt an dieser Stelle, denn schließlich ist es ja auch möglich, andere Nintendo-Spiele zusammen zu spielen wie Splatoon oder ähnliches. Darüber werden wir aber noch berichten.
DLC in Xenoblade Chronicles X
Europa und Amerika haben Glück, die Downloads aus Japan werden kostenlos zum Spiel angeboten. Zu den vier Charakteren Alexa, Boze, H.B. und Yelv gesellen sich zahlreiche Nebenmissionen, die neue Skells und Rüstungsgegenstände mit sich bringen. Alle vier Charaktere sind im Kampf Allrounder, die ihre Vor- und Nachteile haben. Die Blaupausen für die Skells erhaltet ihr später nach den Harmonie-Missionen, außerdem könnt ihr die vier jeweils alle in euer Team einladen und mit ihnen kämpfen.
Sie bereichern den Inhalt des Spiels ungemein, da sie alle ihre eigene Geschichte besitzen und euch auch im Spiel nützlich zur Seite stehen können.
Grafik
Einen Sonnenuntergang von einer Bergspitze aus beobachten zu können, dazu hat man im echten Leben kaum eine Chance. Doch auf Planet Mira gibt es die Chance, jeden Tag. Nachts leuchten die Monde den Planeten in den schönsten Farben aus, und wenn man erst einmal die Natur in Noctilum mit den strahlenden Blumen um Mitternacht gesehen hat…
Die Grafik in Xenoblade Chronicles X holt alles aus der Wii U raus, was sie zu bieten hat. Habt ihr erst einmal die zusätzlichen Datenpakete runtergeladen, die nicht mehr auf die Disc gepasst haben, erstrahlt der Planet in all seinen Wundern auf eurem Bildschirm. Die einzelnen Kameraperspektiven ermöglichen einen weiten Blick auf das freie Feld, und dass es lediglich Ladebildschirme gibt, wenn man ein Gebäude betritt oder speichert dürfte für sich sprechen.
Nicht nur das Welten-Design ist gut geworden. Keine Ecke ähnelt der anderen und wie am Anfang schon beschrieben, gibt es immer wieder einen kleinen Schauplatz oder eine Höhle zu entdecken. Auch die Gegner haben ein massives und detailliertes Design erhalten. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich dabei um ein Monster mit niedrigem Level oder einem Affen mit mehreren Armen handelt. Nichts wurde dem Zufall überlassen beim Gestalten der Flora und Fauna.
Der Avatar-Generator scheint im ersten Moment vergleichbar zu anderen Spielen wenig zu bieten. Jedoch kann man schon mit den vorhandenen Reglern eine Figur gestalten, die einen im Kampf gegen die Alien-Rassen vertreten soll, egal ob männlich oder weiblich. Dass der Regler für die Oberweite im Westen entfernt wurde musste ich lediglich belächeln, schließlich bieten andere Spiele aus den unterschiedlichsten Sparten und für die verschiedensten Zielgruppen noch weitaus andere Slider an, die man eher kritisieren könnte.
Ein absoluter Genuss für das Auge also. Verschwendet nicht zu viel Kraftstoff beim Erkunden aus der Luft! 😉
Soundtrack
Einmal tief durchatmen und vom höchsten Punkt in die Tiefe stürzen, weil man keinen Umweg gehen will. Begleitet von einem malerischen Soundtrack, der die Klänge der Nacht festhält, bevor man sich in den nächsten Kampf stürzt, um von energiegeladenen Tracks angetrieben zu werden, den Gegner zu besiegen. Das kann der Soundtrack sehr gut. Zuerst schienen die Musikstücke in den Trailern in manchen Situationen eher fragwürdig, waren doch Lieder wie Wir fliegen geprägt von Vocaloid-Elementen und sehr seltsamen Sätzen in der Übersetzung. Im Kampf wirkt dies wieder ganz anders. Dort treiben die Beats einen an, bis der Gegner endlich fällt.
Jeder Ort hat ein Tages- und Nacht Thema, das sich abwechselt und durch den Einsatz von richtigen Instrumenten gemischt mit Synthesizern die Stimmung gut untermalt. Es werden hin und wieder einige Tracks wiederholt, besonders bei schnell aufeinanderfolgenden Kämpfen, was dann und wann gerade bei den Songs stört, die mit Gesang arbeiten. Dies ist aber eher der Fall, wenn man sich aufs Leveln konzentriert. Dass man schon an der Musik erkennen kann, wie gefährlich der Gegner für die Truppe ist, ist natürlich ein weiterer Adrenalinstoß pur. Die orchestralen Stücke sind die Stärke dieses massiven Gebildes.
Fazit
Eine riesige Welt. Mechas, die fliegen, kämpfen und ausgerüstet werden können. Eine traurige und düstere Science-Fiction Episode, die untermalt wird von einem träumerischen Planeten, den wir kennenlernen und auf dem wir leben möchten. Charaktere, die ihre eigenen Geheimnisse haben, uns jedoch trotz allem in die Welt der Kämpfe und Hoffnungen tragen. Das müsste schon ganz grob zusammenfassen, was ich an Xenoblade Chronicles X so sehr schätze.
Es holt aus einer Konsole, die von vielen schon aufgegeben wird, ein weiteres Mal alles heraus, was die Wii U zu bieten hat – eine offene Welt, in der ihr fast Ladebildschirm-frei alles erreichen könnt, was ihr seht. Mehrere hundert Stunden Spielerfahrung, die euch von Monstern und Aliens so wie vielen steuerbaren Charakteren gefüllt begeistern können – wenn ihr denn diese Art von Spiel mögt. Es ist ein Abenteuer im Weltraum, das euch ergreifen wird, wenn ihr es zulasst.
Nein, Xenoblade Chronicles X hat nicht viel mit dem Vorgänger gemeinsam. Es hat ein verbessertes Kampfsystem, andere Rüstungsarten und einen ganz anderen Begriff einer Geschichte, die mit zahlreichen Nebenquests und eigenen Entscheidungen ausgebaut werden kann. Vielleicht ist die Story in ihrem Gesamtpaket etwas zu kurz geraten, jedoch entscheidet ihr, wie lang ihr bis zum Ende braucht. Wollt ihr durch die Geschichte rennen oder ein großes Spielerlebnis haben? Diese Entscheidung liegt bei euch.
Viele Nebencharaktere können zum eigenen Team hinzugefügt werden, leveln aber nicht automatisch mit. Das kann für den ein oder anderen nervig werden, wenn man plötzlich 30 Level aufholen muss, damit diese im Team auch eine Chance gegen die Feinde haben. Dafür gibt euch aber das tiefe und ausführliche Kampfsystem gute Möglichkeiten, so dass es auch hier genügend Raum gibt zum aufholen der Unterschiede.
Xenoblade Chronicles X ist eins der tiefgründigsten und komplexesten Spiele, die die Wii U zu bieten hat. Landet auf Planet Mira und erlebt dieses mit viel Liebe zum Detail gestaltetes Spiel.
Plattform: Wii U
Release Datum: 04. Dezember 2015
Genre: Adventure RPG
Spieler: 1 (Mehrspieler online)
Entwickler: MONOLITH SOFTWARE INC.
Wenn ihr uns unterstützen möchtet, dann würden wir uns freuen, wenn ihr Xenoblade Chronicles X über unseren Link kaufen würdet. Es entstehen keine Mehrkosten für euch, jedoch können wir dann für euch neue Dinge ermöglichen wie Gewinnspiele oder ähnliches. 🙂
Mit Bifi von Kabelsalat habe ich außerdem die Frage beantwortet: Lohnt es sich?
Außerdem habe ich auf Youtube weitere Fragen beantwortet wie z.B.:
Xenoblade Chronicles X – Nebencharaktere steuern?
Xenoblade Chronicles X – Online Modus und die Squad
Aussehen vom Avatar in Xenoblade Chronicles X im Spielverlauf ändern
Steuerung in Xenoblade Chronicles X mit Gamepad und Pro Controller Wii U
Xenoblade Chronicles X – Dolls / Skells im Überblick